20. Juli 2023

In der Schwebe

Bald erscheint mein neues Buch. Geschrieben ist es schon seit einer Weile. Nun befinde ich mich in einer Art Zwischenwelt. Ich schwebe. Oder, realer ausgedrückt: Ich hänge in der Luft. Und wenn mich Freund*innen und Bekannte darauf ansprechen und fragen: Worum geht es denn in «Damenprogramm», so würde ich stets am liebsten antworten: «Ich habe keine Ahnung». Natürlich sage ich das nicht, obwohl es so ist und die Antwort also ehrlich wäre, sondern ich stammle etwas wie: «Es geht ums Leben, ja, genau, ums Leben, also eigentlich geht es um alles», und mein Gegenüber nickt und schaut weg.
Es ist schwer, in zwei drei Sätzen zusammenzufassen, worum es geht in einem langen Text, den man xmal durch die Mangel getrieben hat. Dazu kommt, dass eine meiner zentralen Erfahrungen als Leserin die ist, dass es für jede und jeden in einem Buch um etwas Anderes geht. Um etwas Eigenes. Um etwas, das vielleicht gar nicht im Buch steht. Und wenn ich ein Buch schreibe, so steht für mich darin auch, was ich nicht geschrieben habe. Was ich vielleicht bloss gedacht habe. Jedenfalls wird kein Buch so, wie ich es mir zu Beginn vorgestellt habe: Kompakt, klar und fertig.
In einem Lesezirkel habe ich die Teilnehmenden einmal gefragt: Was braucht es, dass ihr für Figuren in Büchern Sympathie aufbringt, dass ihr euch für sie begeistert, ja, manchmal geradezu an ihnen hängt? (Dasselbe kann man sich auch fragen für Figuren in Filmen und in TV-Serien.) Eine Leserin hat auf meine Frage geantwortet: Eine mir sympathische Figur muss mir Möglichkeiten bieten, mit ihr in einen Dialog zu treten. Schöne Antwort. Nur was, wenn literarische Figuren bockig sind, verschlossen und keinesfalls empathisch? Wenn sie sich andern gegenüber so verhalten, wie es nicht im Geringsten wünschenswert ist, wenn sie Dinge tun, die ein sogenannt normaler Mensch nicht nachvollziehen kann? Klauen ohne Not zum Beispiel, einfach so, weil es ihnen einen Kick versetzt. Oder Liebesdienste für die Nächsten verweigern, die für andere das Natürlichste der Welt sind?
Ich stelle solche Fragen nicht uneigennützig. Erstens, weil ich es beim Lesen gerne mit bockigen Figuren zu tun habe und darauf hoffe, sie im Lauf der Lektüre zu knacken. Oder dass sie mein Herz knacken. Und zweitens, weil ich befürchte, dass meine Hauptfiguren in «Damenprogramm» auch ein paar bockige Züge aufweisen. Hätte ich sie insgesamt ein wenig netter gestalten sollen, ihnen ein freundlicheres Wesen geben sollen? Das frage ich mich jetzt, da es für solche Überlegungen eh zu spät ist. Zudem hat es Spass gemacht, vor allem die eine immer wieder gegen den Strich zu bürsten. Aber jetzt habe ich sie so losgeschickt, ausgestattet mit einem Wesen, das die Herzen der Lesenden vielleicht nicht erobern wird. Muss ich mir Sorgen machen um sie?
Nachts träume ich von grossen unbekannten Räumen. Sie sind vollkommen weiss und vollkommen leer. Vielleicht sind es die Buchseiten, die Leserinnen und Leser während der Lektüre selber füllen. Und vielleicht stimmt es ja, was eine der Figuren in Karl Ove Knausgårds neuem,1056 Seiten umfassenden Roman «Die Wölfe aus dem Wald der Ewigkeit» immer wieder behauptet. Dass Träume wahr seien nämlich.
Damenprogramm» erscheint im August 2023 bei edition bücherlese, Luzern. https://buecherlese.ch/files/1283/vorschau-h23-edition-buecherlese.pdf

7 Kommentare

  • Margrit Walti-Jenny sagt:

    Bin uuu-gespannt auf „Damenprogramm“ und freue mich sehr darauf.
    Margrit

  • ursula jakob sagt:

    liebe Theres
    ich freue mich sehr auf dein neues Buch!
    herzlich, Ursula

  • michael guggenheimer sagt:

    Und wann bitte und wo findet die buchpremiere statt? und wenn man die verpassen würde: wo findet die zweite lesung statt? findet an der premiere ein moderierts gespräch statt? neugierig grüsst michael guggenheimer.

    • Theres sagt:

      Lieber Michael, die Buchpremiere findet am 18. September 2023 um 19.30 Uhr in der Bibliothek Zug statt als Lesung und Gespärch, moderiert von der Kulturjournalistin Esther Schneider. (Der Flyer dazu ist in Bearbeitung und wird demnächst hochgeladen.) Wer das verpasst, kommt am 25. Oktober zur Doppellesung Bernadette Conrad/TRH ins lit.z Literaturhaus Zentralschweiz Stans. Diese Veranstaltung moderiert Britta Spichiger, Radio SRF. Oder am 8. November nach St Gallen zu Orell Füssli und weitere Lesungen sind in Planung… darunter vielleicht eine sehr spezielle im Unterengadin, Infos folgen.

  • a.u. sagt:

    Liebe Theres
    Mir gefallen Deine Figuren jeweils sehr. Würde es vermissen, wenn sie der Leserschaft wegen irgendwie künstlich angepasst würden zu Nettigkeit oder Künstlichkeit. Das etwas Bockige (oder wie es nennen), grad auch das mag ich sehr. Und wie schön Du Deine „Figuren“ stets beschreibst und handeln oder nicht-handeln lässt. Spannend (und eigenartig? ) auch, dass sich durch Deine Schreibkunst, und eben die Arten Deiner Figuren, Deine Bücher sozusagen erkennen lassen als eben die Deinen. Die wir lieben…

  • Bernadette Jud-Halter sagt:

    Liebe Theres, du fragst wie „bockige „ Menschen sein müssten , um für die Leser‘innen trotzdem liebenswert zu sein… Ich freue mich wenns „ mönschelet“ …. die Figuren nicht perfekt sind . Wenn alle ihren Platz haben – alle irgendwie dazugehören – Farbe ins Miteinander bringen…. ihre Spuren hinterlassen. Ich freue mich aufs neue Buch! Liebe Grüsse Berni

  • Annelis Gerber sagt:

    Liebe Theres
    So wunderschön, deine Träume mit den leeren, weissen Räumen! Hoffentlich bleiben sie weiss, ich ( und viele andere wohl auch!) möchten sie füllen, mit unseren Geschichten, sie bunt bemalen und wie in einem Theater, die Figuren aufstellen und je nach Situation, sie auf— oder abtreten lassen. Es sind doch die Zwischenräume, die dem Leben den Pfeffer geben…
    Ich bin sehr gespannnt auf dein neues Buch!
    Halte durch und freue dich, es wird gut!
    Anne

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