13. Mai 2021

Alles wird gut

Vor kurzem erlebte ich etwas turbulente Zeiten. Da hat eine Freundin immer mal wieder zu mir gesagt: Glaub mir, alles wird gut. Ich habe mit einem Schulterzucken geantwortet, aber ihr ‘Alles wird gut’ klingt nach, auch jetzt, da ich wieder in ruhigeren Gefilden unterwegs bin, was sich aber schnell wieder ändern kann.  
Es ist nun nicht so, dass ich dieses ‘Alles wird gut’ mantraartig vor mich hersage, aber es hat in jüngster Zeit meinen Blick wohl doch etwas beeinflusst. Zum Beispiel im Wald. Dass alte Baumriesen überhaupt in der Lage sind, so etwas Zartes wie diese frühlingsgrünen Blätter hervorzubringen, dieses Buchen- und Birkengrün, es lässt mich staunen. Und gleich daneben die kleine Waldbaumschule. Das Totholz bleibt liegen und gleichzeitig wird mit äusserster Sorgfalt aufgeforstet. Verlasse ich den Wald, gehe ich an einem riesigen, in voller Blüte stehenden Rapsfeld vorbei. Tausende von Bienen schwirren über den Blüten und erzeugen ein Sirren und Summen, als schwebte hier ein unsichtbares Orchester in der Luft, das mit Instrumenten aus Blüten eine tiefgelbe Musik erzeugt. Und wenn wir schon dabei sind mit der kleinen Glücksliste: Einmal war ich mit einer Freundin unterwegs, die wunderschöne Schuhe trug. Das sagte ich ihr. Sie fragte mich nach meiner Schuhgrösse und als sie feststellte, dass wir dieselbe Übergrösse tragen, blieb sie stehen, zog ihre Schuhe aus und sagte: Los, wir tauschen. Für immer. Ein anderes Mal sass ich in der Bahn, mir gegenüber sass eine Frau mit einem Baby. Wir sprachen kurz miteinander, dann bat sie mich, ihr Baby kurz zu halten, sie müsse dringend zur Toilette. Sie heisst Ida, sagte sie noch und ging. Und was, wenn die Frau nicht zurückkommt, durchzuckte es mich, denn der Zug hielt an. Das schlafende Mädchen lag in meinem Arm, blinzelte kurz, der Zug fuhr weiter und Ida schlief weiter, während ich wie auf Nadeln in meinem Abteil sass und auf die Anzeige starrte, die anzeigt, ob die Zugstoilette frei oder besetzt ist. Endlich wechselte die Anzeige auf grün, die Frau erschien wieder, nahm Ida entgegen und erzählte mir, es sei ihr heiss und kalt durch den Körper gefahren, als der Zug angehalten und sie sich vorgestellt habe, ich würde mit ihrem Kind aussteigen. Wir lachten zusammen, Ida erwachte und bedachte mich mit einem hellblauen Blick. Sie hat Frühlingsaugen.

2 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Blog via Email abonnieren

Gib deine E-Mail-Adresse an, um diesen Blog zu abonnieren und Benachrichtigungen über neue Beiträge via E-Mail zu erhalten.

Loading

Deine Daten werden ausschliesslich für den Newsletter verwendet. Mehr dazu findest du in der Datenschutzerklärung.