Theres Roth-Hunkeler

bloggt über Haupt- und Nebensächliches.

Vor Kurzem habe ich drei Schwestern kennen gelernt. Drei Leserinnen. Sie sind in einem Hotel aufgewachsen, zu fünft insgesamt, es gibt noch eine weitere Schwester und einen Bruder, der schon seit langem in Amerika lebt. Die fünf Geschwister schreiben sich oft. Das Hotel führte ihre Mutter, es war von März bis November geöffnet, es lag an einem See, die Gäste vertrieben sich die Zeit mit Seerundfahrten. Der Vater der Familie arbeitete unter der Woche in einer entfernteren Stadt. Am Samstag kam er nach Hause, um das Eis herzustellen, das die Hotelgäste so sehr schätzten: Vanille-, Erdbeer- und Schokoladeeis. Am Sonntagnachmittag reiste er wieder ab. 
Früh schon haben die Kinder ihrer Mutter im Betrieb geholfen. Zum Beispiel sind sie nach dem Abendessen mit einem Bauchladen durch den Speisesaal gegangen und haben den Gästen Zigarren und Zigaretten angeboten. Später hat eine der Schwestern das Hotel übernommen und es bis über das Pensionsalter hinweg geführt. 
Das Haus gibt es noch immer, aber es wurde vollständig umgestaltet. Die Hotelzimmer, die Flure, die Badezimmer, der Speisesaal, die Küche, der Vorratsraum, die Waschküche, das Bügelzimmer, die Kammern der Kinder, das Schlafzimmer der Eltern, das nur von Samstag auf den Sonntag ein Elternschlafzimmer war, der Dachboden, das Treppenhaus, das kleine Kabinett gleich beim Eingang, alle diese Räume sind verschwunden. An ihrer Stelle entstanden Wohnungen. Dort leben jetzt fremde Leute, erzählte eine der anwesenden Schwestern. Dann tauschten die drei Blicke aus. Dann schwiegen sie. Wir haben schon immer viel gelesen, sagte die Jüngste der dreien nach einer Weile. Am liebsten Familienromane.