3. September 2021

Nachlese / Nachfreude

‚Nachlese‘, Gemälde von Jean-Francois Millet aus dem Jahre 1857

Die Vorfreude gibt es (https://roth-hunkeler.ch/vorfreude/), sie soll ja laut Sprichwort sogar die schönste Freude sein. Aber gibt es sowas wie die Nachfreude, vielleicht nach dem Fest und nach dem grossen Aufräumen hinterher? Besteht Nachfreude hauptsächlich aus dem Bedauern darüber, dass alles Schöne stets so schnell vorbei ist? Oder kommt sie erst auf, wenn sich dieses Bedauern gelegt hat und das Fest zur Erinnerung geworden sind? Wie auch immer, die Lese ist ja die Ernte. Und die Nachlese wohl die Ernte nach der Ernte. Der Wortgebrauch ‚Nachlese‘ sei gehoben, vermeldet der Duden. Sei’s drum. So oder so ist der Herbst da. Und mit ihm neue Früchte. In meiner Branche sind das neue Bücher. Was bedeutet, für sie werden die Regale leer geräumt in den Buchhandlungen. Die Frühjahrsfrüchte müssen spätestens jetzt verschwinden. So kurz lebt, wofür Autorinnen und Autoren oft lange Jahre eingesetzt haben. Unmittelbar nach dem Erscheinen eines neues Buches fragen Leserinnen oft: Was ist das nun für ein Gefühl, wenn das neue Werk da ist? Aber niemand fragt fünf Monate später: Was ist es für ein Gefühl, wenn das Buch verschwindet? Vielmehr heisst dann die Frage: Woran schreibst du jetzt und wie weit bist du schon?
Es ist wunderbar, Echos von Lesenden zu bekommen. Deshalb und weil ich noch in der Phase des Bedauerns bin, dass die ‚Geisterfahrten‘ enden, hier ein kleine Nachlese. Vor allem Frauen haben mir geschrieben, sie wünschten sich gelegentlich auch so einen Sanders herbei, wie er im Buch vorkomme. Eine sehr gute Leserin meinte dazu, sie sei sich vorgekommen wie eine Pubertierende, so unbedingt habe sie wissen wolle, wie sich diese Liebesgeschichte weiter entwickelte. Andere Stimmen fragten: Musste das sein, diese Liebesgeschichte? Nicht ein wenig kitschig? Einige Menschen konnten sich vom Hörensagen noch an den im Buch beschriebenen Unfall erinnern. Dass sie mir dazu geschrieben haben und zwar in grosser Offenheit, das hat mich sehr berührt. Und was mich am meisten gefreut hat: Viele ältere Menschen, Frauen wie Männer, haben Stern zu ihrem Star erkoren. Diesen knorrigen, alten, oft schweigsamen Mann. Der bleibt, wie er ist. Der das Leben hinnimmt, wie es sich Tag für Tag abspielt. Ein alter Held. Eine Freundin hat mir zu einer anderen Figur im Buch, zu Sterns Frau, geschrieben: Diese Maria hätte ich ja zu Beginn gratis abgegeben, aber mit der Zeit ist sie mir ans Herz gewachsen. Mir selbst ist, offen gestanden, das ganze Personal im Buch ans Herz gewachsen und deshalb flüstere ich Stern und Co. oft zu: Bleibt doch noch einen Moment.

Lesetermine aus ‚Geisterfahrten‘:
6. September, Luzern, Stadtbibliothek
9. September, Unterägeri, Café Brändle
24. Oktober, Baar KunstKiosk
28. Oktober, Rothenburg, Kulturhalle Konstanz
14. November, Hochdorf, Regionalbibliothek
25. November,Lachen, Spiel- und Läselade
30. November, Rathus-Schüür, Baar

2 Kommentare

  • Ursula Schenkel sagt:

    Ich komme auf jeden Fall zu Deiner Lesung in der Stadtbibliothek Luzern, und wundere mich, welche Abschnitte vorgelesen werden! Ich freue mich (vor)aufs ganze Personal. Vielleicht ist die Liebesgeschichte kitschig , was ich nicht empfunden habe, ABER ist denn kitschig nicht schön? Ein rosaroter , oranger, roter , violetter Sonnenuntergang? Was ist überhaupt kitschig? Wer bestimmt das? Ich werde diesem Wort nachgehen. Übrigens übe ich seit dieser Lektüre immer wieder die Schwalbe!
    Mit herzlichem Gruss , die Herbstsonne scheint heiss auf meinen Rücken!Ein bisschen Nachlese des Sommers.
    Mit vorfreudigen und nachfreudigen Grüssen!
    Ursula Sch. 😎

    • Theres sagt:

      Liebe Ursula, danke dir, so schön! Die grundsätzlicheFrage, was Kitsch sei, sehr interessant. Und du bist nicht die Einzige, die nun die Schwalbe übt. Das haben mir einige Leserinnen geschrieben.

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