2. August 2025

Werbung für Freundschaft

Buchvernissage: 17. September 2024, 19.30 Uhr, Bibliothek Zughttps://www.zug-tourismus.ch/de/events/buchvernissage-damentour-von-theres-roth-hunkeler 


 
Am letzten Mittwoch war der internationale Tag der Freundschaft. Auch wenn es bald für alles und jedes einen internationalen Tag gibt, der Freundschaft einen Tag zu widmen, halte ich für mehr als angebracht. Im Grunde erlebe ich fast jeden Tag als einen Tag der Freundschaft, denn sowohl mein ‘soziales Ich’ wie auch mein ‘schreibendes (und lesendes) Ich [1] erleben Freundschaften als zentral, heiter, tragend, und, je nach Stimmung, als ermutigend und tröstend. Es vergeht selten ein Tag, an dem ich nicht an Freund:innen denke, an einzelne einen, zwei Sätze schicke, ein Bild, eine E-Mail, eine Postkarte, einen richtigen Brief, mit anderen chatte oder telefoniere oder darauf hoffe, dass sie sich melden, denn ja, einige Freundschaften schlafen manchmal eine Zeitlang. 
Das Thema Freundschaft ist in vielen Büchern der jüngsten Zeit zentral: Bei Sigrid Nunez zum Beispiel, die einem ihrer letzten Romane den Titel gegeben hat «Was fehlt dir» – eine Frage, die wir Freund:innen zwingend stellen sollen. Bei Zsusza Bánk in ihrem Buch «Schlafen werden wir später» tauschen sich zwei Freundinnen in einem Langdialog aus über ihre unterschiedlichen Leben. Paula Fürstenberg erzählt in «Weltalltage» von einer Freundschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die sich seit Kindertagen kennen, von Empathie und sich Kümmern, von eingespielten Rollen und vom schwierigen Rollentausch. In Didier Eribons «Eine Arbeiterin», einem autobiografischen Roman über seine Mutter, erzählt der Autor, dass ihm seine Freunde schon immer vertrauter waren als seine eigene Familie, eine Aussage, die wohl einige von uns unterschreiben würden. Auch viele andere Autor:innen variieren das Thema auf ihre Weise, etwa Elena Ferrante, Laura Vogt, Sally Rooney und ganz aktuell, rau und überraschend anders Sara Gmür in ihrem fulminanten neuen Roman «Achtzehnter Stock». Sogar Magazine und Zeitungen beleuchten ‘Freundschaft’ neuerdings in Essays und Erfahrungsberichten, oft beginnend beim Nachdenken über sogenannt ‘digitale Freundschafen’, bei Recherchen zum Phänomen ‘Dating’ oder ‘Freundschaft Plus’. Analoge Freundschaften wischen wir nicht mit einer Fingerbewegung weg, wir ghosten Freund:innen nicht, auch in Zeiten, in denen wir nicht matchen, dann reden wir, riskieren einen Streit und schauen weiter.
Freundschaften sind weniger starr definiert wie klassische Paarbeziehungen, weniger überfrachtet mit Erwartungen, auch wenn sie durchaus stabile Lebensbeziehungen sein können und andauern, wenn sich Paarbeziehungen längst aufgelöst haben. Andererseits sind Freundschaften keine Lückenfüller für missratene oder fehlende Liebesbeziehungen, keine Platzhalter in Zeiten, in denen grad keine Partner:innen da sind und sofort ausgedient haben, sobald solch ersehnte Figuren am Horizont auftauchen.
Weil mich das Thema Freundschaft schon lange lange Jahre im realen und im Lese- und Schreibleben beschäftigt und prägt, liegt es auch meinem neuen Buch «Damentour» zu Grunde. Die beiden Lebensfreundinnen Anna und Ruth setzen in diesem Roman das um, was sie sich in «Damenprogramm» ausgedacht haben. Dabei wird nicht nur ihre Freundschaft durchgeschüttelt, sondern auch das Leben der fünf Frauen, die am ersten Damenprogramm teilnehmen, gerät in Bewegung. Neugierig? Unten das Intro des Romans ‚Weisse Lügen‘, das ich einer Freundin verdanke, die mir eine ähnliche Version dieser Geschichte erzählt und geschenkt hat. Ff auf meinem Blog und natürlich im Buch…

[1] (Die Bezeichnungen sind entliehen bei der Autorin Tessa Hadley, über die ihr Verlag schreibt:  «Ihr »soziales Ich« kümmert sich um ihren Ehemann, ihre drei Söhne und ebenso viele Enkelkinder, während ihr »schreibendes Ich« geduldig hinter den Kulissen warten muss, bis es wieder auftreten darf. Aber das eine gäbe es nicht ohne das andere (…)»

Weiße Lügen

Vor vielen Jahren weilte eine meiner Freundinnen in den USA und besuchte dort einen Englischkurs. In ihrer Lerngruppe gab es eine große Sprachenvielfalt, sie war aber die Einzige, deren Muttersprache Deutsch war. Die überaus strenge Lehrerin verlangte, dass im Unterricht ausschließlich Englisch gesprochen wurde, eine andere Sprache duldete sie nicht im Klassenraum, Wörterbücher waren verboten. Eines Tages verstand meine Freundin nicht, was der Ausdruck ‚white lie‘ bedeutete. Die Lehrerin versuchte, ihr mittels zahlreicher Umschreibungen und angewandter Beispiele den Begriff zu erklären, aber der Freundin gelang es nicht, ihn zu entschlüsseln. Schließlich wandte sich ihr Sitznachbar an sie, ein bislang wenig kommunikativer, älterer Mann namens Lee und sagte: »If I say to you that you are a very beautiful woman, that is a white lie.«Zwar verstand sie noch immer nicht, was eine white lie sein sollte, lächelte diesen in ihren Augen schüchternen Lee aber an im Glauben, er habe ihr eben ein Kompliment gemacht. Zurück in ihrer winzigen Wohnung schlug sie den Begriff in ihrem Wörterbuch nach. Tief beschämt schmiss sie den Englischkurs hin.

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