22. Mai 2020
Maiandacht
Wie lange so ein Rosenkranz dauerte. Dann die Litanei der Heiligen. Bitte für uns. Bittet für uns. Die Anrufung der Nothelfer und des Schutzengels. Beschütze und begleite uns. Und endlich das Schlusslied. Maria zu lieben. Eine Alte in der hinteren Reihe versuchte die zweite Stimme. In Freuden und Leiden ihr Diener ich bin. Meine Schwester und ich schauten uns an und schüttelten die Köpfe. Diener wollten wir bestimmt nicht werden. Und eine Mutter hatten wir schon, wir brauchten keine zweite. Fünfundzwanzig Mal Maiandacht besuchen plus die Namen der Evangelisten hersagen trug fünf Franken ein. Von unserer frommen Tante, der Pfarrköchin. Schwer verdientes Geld. Wir kassierten Jahr für Jahr.
«Gegrüsst seist du Maria», mehrmals versuchte ich in die Litanei einzustimmen. Freiwillig. Schon die zweite Zeile konnte ich mir nicht merken. Das Gebet kannte keine Gnade und wollte sich nicht in meinem Kopf einnisten wie all die anderen Gebete, die ich klar, laut und inbrünstig mitsprach. Freiwillig. Jeden Sonntag, ausser wenn ein Familienausflug anstand. Meine Schulfreundinnen wurden zur Messe geschickt. Ob sie kassierten weiss ich nicht. «Der Herr ist mit dir» sass. Dann folgte «gebenedeit unter den Frauen». – Versuchen Sie einmal, gebenedeit zu schreiben. Ich verspreche Ihnen, Sie werden ins Stocken geraten, Sie werden sich mehrmals verschreiben bis Sie wieder Tritt fassen und vielleicht wird auch Ihnen ein Wort einfallen das mit v beginnt und ähnlich klingt. -«Gebenedeit ist die Frucht deines Leibes», an dieser Stelle fiel ich endgültig aus. Ich bedaure, dass ich mich nicht erinnere was ich mir dabei vorstellte. Wenn ich es jetzt ausspreche schüttelt es mich ein bisschen, so ähnlich wie wenn ich an die Haut auf der warmen Frühstückmilch zurückdenke.
und das alles im „Chäppali“?? – Was für ein wunderbarer und berührender Text auch dieser! und welch herr- liches Bild! Danke sehr!
So gut!
Es war ja nicht nur das Singen, das schön war, endlich war es mal in der Kirche etwas fröhlicher, die Orgel jauchzte viel mehr bei
„ Patronin, voller Güte“ als bei „ Haupt voll Blut und Wunden“…
Geld bekamen wir nie für Kirchenbesuche, das hätte mein Sackgeld in Kürze in die Höhe schnellen lassen…..
maiandacht war für uns buben wichtig, das heisst es war nur spannend wenn es maikäfer hatte. die konnte nämlich in den gefalteten händen festhalten und dann stückweise wieder freilassen und die flugbahn studieren. je nach dem, ohrfeifen wurden auch verteilt. kaplan hermann sah alles, fast wie der liebe gott.