27. Februar 2019

Endlos

„ (…) einer meiner Freunde sagt, die Kinder würden die Eltern verändern, nicht andersherum.“ Édouard Louis, „Wer hat meinen Vater umgebracht“, S.Fischer 2019 


Vorbemerkung zum Zitat: Wer Kinder hat, stimmt dem Satz wohl ohne Wenn und Aber zu. Ich bin momentan umgeben von jungen Eltern, die sich abstrampeln mit der Aufzucht ihres Nachwuchses, auf Schlaf und Sport und Freizeit und Reisen und modische Kleidung und Schönessengehen verzichten, nicht freiwillig natürlich. Hätte man ihnen vor ein paar Jahren gesagt, dass ihr künftiges Leben für die nächsten Jahre ziemlich unglamourös aussehen würde, wer weiss, vielleicht hätten sie dankend abgelehnt! Zum Glück nimmt dieser Härtetest irgendwann ein Ende und Mütter und Väter können nach dem Dauerlauf der ersten Jahre Elternschaft wieder so etwas wie ein Eigenleben entwickeln. Dann sind sie durch eine Schule der Geduld, Nachsicht und Selbstüberwindung gegangen, ihre Prioritäten haben sich verschoben, neue Freuden und neue Ängste haben die alten ersetzt. 
Kinder jeden Alters dehnen uns in alle Richtungen. Kinder, auch erwachsene Kinder, konfrontieren uns mit Themen, auf die wir selbst nicht gekommen wären. Kinder stürzen uns in Verlegenheit und manchmal in Geldsorgen. Kinder stellen zielsicher jene Fragen, die wir verdrängt haben. Kinder sind unaufhörlich da, auch wenn sie nicht da sind. Und das hört nie auf, im Fall! 

Leseeindruck zum Buch: Als eine Art ‚Nachgetragene Liebe“ erscheint mir das dritte Buch von Édouard Louis. Es ist ein Porträt seines Vaters, verbunden mit einer Anklage der Sozialpolitik Frankreichs, geschrieben für jene, die sich nicht wehren können und in der Literatur eh nicht vorkommen würden, wie der Autor in einem Interview sagte (Tages-Anzeiger 1. Februar 2019) Gespräch. Aus dem ersten Buch des Autors „Das Ende von Eddy“, vor vier Jahren erschienen, kennen Lesende diesen Vater bereits: Wenig gebildet, homophob, zornig, ständig betrunken. Jetzt liefert der Autor seine Geschichte nach, erzählt von einem Arbeitsunfall, bei dem sich sein Vater die Wirbelsäule brach, heftigste Schmerzen erlitt und invalid wurde. Was das für die im Norden Frankreichs lebende Familie bedeutete, die vorerst von Sozialhilfe lebte, bis der Vater gezwungen wurde, einen Job als Strassenwischer anzunehmen, das schildet der 27jährige Autor, der die Gelbwesten unterstützt, auf 77 knappen Seiten. 

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